Brooklyn Bridge – das achte Weltwunder

 

Die Brooklyn Bridge ist eine Meisterleistung, die ohne den deutschstämmigen Architekten Johann August Röbling wohl nie gebaut worden wäre. Denn vor über 150 Jahren hatten New Yorks Stadtväter schwerste Bedenken: Wollen Menschen wirklich über eine solch lange Brücke gehen?

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Normalerweise benötigte das Fährschiff von Manhattans Lower East Side nach Brooklyn gerade mal zehn Minuten. Doch im harten Winter des Jahres 1857 machten dem Kapitän außer der tückischen Strömung auf dem East River auch noch gigantische Eisschollen zu schaffen. Er brauchte Stunden für die nicht einmal einen Kilometer lange Überfahrt. Dem ungeduldigen Architekten Johann August Röbling, der mit seinem 15-jährigen Sohn Washington auf dem Boot festsaß, ließ diese frustrierende Erfahrung keine Ruhe. Noch im gleichen Jahr schlug er der Stadtverwaltung von New York den Bau einer Hängebrücke über den East River vor – einer Konstruktion, wie er sie schon mehrfach selbst errichtet hatte. Doch seine Idee stieß auf Bedenken. Mit einer Hängebrücke sei es wohl kaum möglich, den einige hundert Meter breiten Fluss zu überspannen, lautete ein Gegenargument. Die starken Winde könnten das Bauwerk zum Einstürzen bringen.

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Aber so leicht gab Röbling nicht auf. Er wusste, was möglich war; schließlich hatte er schon reichlich Erfahrung gesammelt – als Brückenbauer und als Erfinder eines bahnbrechenden Verfahrens: 1841 hatte er ein aus sieben Einzelsträngen verzwirbeltes Drahtseil entwickelt, das die bei Hängebrücken üblichen, aber reißanfälligen Hanfseile ersetzte. 1845 kam dieses Stahlseil erstmals zum Einsatz, als Röbling den Niagara nahe bei den Wasserfällen mit einer Hängebrücke überspannte. Alles in allem waren unter Röblings Federführung innerhalb von 23 Jahren neun Brücken entstanden.

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Es dauerte zehn Jahre, bis die Herren im New Yorker Rathaus den hartnäckigen deutschen Einwanderer erhörten. Am Ende waren es vor allem die Bewohner von Brooklyn selbst, die immer energischer nach einer Brücke verlangten, um das wirtschaftlich aufblühende Manhattan schneller zu erreichen. Und so war es am 16. April 1867 schließlich so weit: Eine Gesellschaft wurde gegründet, die das Geld für den Brückenbau beschaffen sollte. Die Kosten wurden auf sieben Millionen Dollar geschätzt – summierten sich am Ende aber auf über 15 Millionen. 1869 wurde der erste Spatenstich getan. Für Röbling war das ein wichtiger Etappensieg.

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Doch im Sommer 1869, wenige Wochen nach Beginn der Bauarbeiten in Brooklyn und damit noch vor der Krönung seiner Laufbahn, fand die traumhafte Karriere ein jähes Ende. Es war der 28. Juni, als Röbling auf dem Landungssteg der Fultonfähre stand und eine Fähre ihm den rechten Fuß zerquetschte. Und nun beging der so geniale Konstrukteur einen fatalen Fehler. Weil er Ärzte verachtete und immer allein auf die Kräfte der Naturheilung setzte, begnügte Röbling sich damit, die Wunde auszuwaschen. Am 22. Juli 1869 starb er am Wundstarrkrampf – einen Monat nach seinem 63. Geburtstag.

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So blieb es seinem Sohn Washington vorbehalten, den Bau seines Vaters fortzuführen. Doch vor der Eröffnung galt es, die skeptischen New Yorker davon zu überzeugen, dass die Brücke tatsächlich stabil genug war, um Menschen und Fuhrwerke zu tragen. Deshalb baten die Verantwortlichen den Zirkusbesitzer Phileas Taylor Barnum, 21 seiner Elefanten über die Brücke zu führen, um deren Belastbarkeit zu demonstrieren. Nachdem die Dickhäuter sicher ans andere Ufer gelangt waren, stand der glanzvollen Einweihung am 24. Mai 1883 nichts mehr im Wege.

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(gekürzte Fassung nach dem Artikel „Das achte Weltwunder” von Rainer Nolden, aus epoc 3/2008, Seite 12-19; mit freundlicher Genehmigung der Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH Heidelberg, 2009)