Vorbemerkung: Der folgende Text beschäftigt sich mit dem Klimawandel. Darunter versteht man im Allgemeinen die durch Gase wie z. B. Kohlenstoffdioxid (CO2) verursachte Erwärmung der Erdatmosphäre, die mit Risiken für das Leben auf der Erde verbunden sein kann.
Ist der Klimawandel ein Mann? |
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Steaks und Autos, beides so groß wie möglich. Das ist – genau: Das ist typisch männlich. „Daher ist der Klimawandel ein Mann.” So provozierend formuliert das in einer Studie Ines Weller, Bremer Professorin. Ihre Argumente: Männer essen im Durchschnitt mehr Fleisch und fahren protzige, spritfressende Autos, am liebsten schnell. Beides erhöht letztendlich den weltweiten CO2-Ausstoß. Erschwerend kommt laut Weller hinzu, dass Männer ihr Verhalten oft auch nicht ändern wollen. Also tragen sie, so die Professorin, mehr zum globalen Klimawandel bei als Frauen. Diese essen mehr Obst und Gemüse und fahren zumeist das kleinere, Benzin sparende Auto und weniger Kilometer im Jahr. Sie benützen nämlich, so Weller, öffentliche Verkehrsmittel deutlich häufiger. |
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Gotelind Alber, Umweltexpertin und Physikerin, bestätigt die Bremer Studie weitgehend. Zudem könne man sagen, dass Frauen, obwohl sie weniger zum Klimawandel beitragen würden, oft von dessen Folgen stärker betroffen seien. Das gelte in erster Linie für Frauen in ärmeren Ländern, die mit der Versorgung der Familie beschäftigt sind. Und das werde angesichts verschärfter Umweltbedingungen beschwerlicher. |
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Aber wie hoch ist der Beitrag von Mann und Frau in den Industriestaaten zum Klimawandel wirklich? Da wird’s schon schwieriger. „Familienhaushalte kann man für eine Untersuchung nicht hernehmen”, erklärt die Forscherin. Man weiß ja nicht, wer in der Familie nun genau was verbraucht. Deshalb wurden Haushalte von Alleinlebenden untersucht, männlichen wie weiblichen. Fazit: In Männerhaushalten entsteht im Durchschnitt mehr CO2 als in Frauenhaushalten. In Schweden zum Beispiel beträgt das Plus 30 Prozent. Schwedische Männer fahren nämlich so gut wie immer das dickere Auto. Das gelte mehr oder weniger für alle europäischen Länder, sagt Alber. |
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Und wie steht es um den Bereich der Ernährung? Untersuchungen eines österreichischen Umweltinstituts haben ergeben, dass mehr als 20 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes bei Herstellung und Transport von Lebensmitteln erzeugt werden. Den Hauptanteil daran trägt eindeutig die Fleischproduktion. Studien belegen weiter, dass Männer mehr Fleisch essen als Frauen. Die „Rindfleischrechnung” von Klimaexperten lautet: Allein die Herstellung eines Kilogramms Steak verursacht 36,4 Kilogramm CO2. Also auch in diesem Bereich scheint der Mann der Klimasünder zu sein. |
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Aber so ganz stimmt das nicht. Denn erwiesen ist auch, dass Frauen mehr Milchprodukte konsumieren. Und da Milch meist von Kühen stammt, tragen auch Frauen ihr Scherflein zum Klimawandel bei. Aber nicht nur mit Joghurtlöffeln. Die Frage ist auch, welchen Anteil Kosmetika, bei deren Herstellung viele Rohstoffe verbraucht werden, am Klimawandel haben. Hier wird die Datensuppe dünn. Anzunehmen ist jedenfalls, dass weltweit mehr Frauen Kosmetika verwenden als Männer. Auch das Mehr an Kleidung und modischem Zubehör belastet das Klimakonto der Frau, falls sie nicht zu Ökoware greift. |
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Dennoch scheint die Klimarechnung zugunsten der Frau aufzugehen. Und außerdem: Frauen denken anders über den Klimawandel als Männer, sie sind eher bereit, etwas für das Gemeinwohl zu tun. „Frauen, die meist mehr für die Familie da sind als Männer, sind es gewohnt, für andere mitzudenken”, sagt Alber. Männer hingegen seien offensichtlich nur dann umweltbewusst, wenn es nichts kostet. |
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Barbara Morawec
erschienen in: Salzburger Nachrichten vom 8. März 2010
Text gekürzt und leicht verändert