Neue Heimat Mars

 
Nahezu endlos erstreckt sich die rote Wüste über den Planeten. Schluchten durchschneiden seine Oberfläche, riesige Vulkane ragen in die Höhe. Der feine Staub im eiskalten Wind färbt selbst den Himmel rot. Der Mars ist ein rauer, unwirtlicher Ort. Und hier sollen eines Tages Nadelbäume wachsen? Hier sollen Flüsse strömen und sogar ein Ozean auf der Nordhalbkugel wogen? 1
„Wir können den Mars bewohnbar machen”, sagt Christopher McKay, Planetenforscher der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. Er hat gute Gründe für seine Zuversicht: Erstens ist der Mars als direkter Nachbar der Erde mit einem Raumschiff vergleichsweise schnell erreichbar. Rund sechs Monate würde der Flug dauern, ein überschaubarer Zeitraum. Zweitens müssten sich die Menschen in zeitlicher Hinsicht kaum umstellen: Ein Marstag, genannt „Sol”, dauert mit 24,6 Stunden kaum länger als ein Erdentag. Drittens sind die Temperaturen mit durchschnittlich -53°C im Vergleich zu anderen Planeten geradezu angenehm. Viertens schließlich — und das ist am wichtigsten — gibt es gefrorenes Wasser auf dem Roten Planeten und Wasser ist nun einmal Quell allen Lebens. 2
Das Hauptproblem dabei: Das Wasser ist nicht flüssig. Eine Lösung des Problems sei jedoch in etwa 100 Jahren möglich, behauptet McKay. Das Vorhaben ist natürlich sehr kompliziert. Am Ende würde es jedoch darauf hinauslaufen, dass sich das Eis durch Wärmezufuhr schmelzen lässt und als Flüssigkeit auf dem Marsboden sammeln kann. Das wäre der Beginn einer Verwandlung, die den Mars der Erde ähnlicher macht. 3
Natürlich sprießen dann nicht automatisch Blumenwiesen oder die zu Beginn erwähnten Nadelbäume. „Erste Pflanzen könnten allerdings schon überleben”, so der Forscher. Schritt für Schritt könnte man dann immer höhere Lebensformen auf dem Mars ansiedeln. 900 Jahre würde es dauern, bis der erste Nadelbaum wächst, berechnete der Pflanzenforscher James Graham von der Universität Wisconsin in den USA. Seine Vorstellung: Die Pflanzen produzieren im Lauf der Zeit so viel Sauerstoff, dass Menschen eines fernen Tages auf dem Mars ohne Hilfsmittel atmen könnten! 4
Bevor es aber so weit ist, müssen sich die Forscher noch über vieles Gedanken machen. Zum Beispiel darüber, dass ein Raumschiff für den Weg zum Mars und wieder zurück eine Menge Treibstoff braucht — mehr als es transportieren kann. Da es im Weltraum natürlich keine Tankstellen gibt, planen die Wissenschaftler, eine unbemannte Mission1 vorauszuschicken. Diese soll auf dem Mars ein Kraftwerk zur Herstellung von Raketentreibstoff errichten, ferngesteuert und mit Robotern. Nach etwa zwei Jahren Betrieb könnte das erste Raumschiff mit Besatzung starten — frühestens im Jahr 2030. 5
Ob McKay dann dabei sein wird? Der Wissenschaftler ist heute 55 Jahre alt und in 17 Jahren für eine Reise zum Mars vermutlich schon zu alt. Dennoch forscht und grübelt er weiter über die Umwandlung unseres Nachbarplaneten: „Das einzige Risiko ist doch, dass es nicht funktioniert.” 6
Verena Linde, Neue Heimat Mars? Auswandern ins All. In: GEOlino 2 (2010), S. 38-42

1 unbemannte Mission: ein Flug zum Mars mit einem Raumschiff ohne menschliche Besatzung → zurück